vom 07.11.2017 - Autorin: "Sanny"
Ich erinnere mich, dass das ein Slogan auf meiner ersten christlichen Freizeit war – ein Slogan, den ich ebensowenig mochte wie den ausgestreckten Zeigefinger auf meine Brust mit dem Spruch dazu: „Auch DU brauchst Jesus!“. Dennoch faszinierte mich auch irgendetwas an dem Glauben dieser radikaleren Christen, und als ich auf weitere Christen traf, die mich einfach in ihre Mitte nahmen, ohne mich zu fragen, ob ich denn schon „bekehrt“ wäre und mich „für Jesus entschieden“ hätte, merkte ich irgendwann in mir, dass ich diesem Jesus Christus vertrauen wollte.
So fing es an … Ich stand ein Jahr vor dem Abitur, und die prägendsten Einflüsse für meinen Glauben waren in dieser Zeit meine sehr fundamentalistisch aufgewachsene Freundin plus weitere Christen von der charismatischen Erneuerung … und meine katholische Religionslehrerin. Interessanterweise hatten beide etwas zum Thema „Ewigkeit“ zu sagen …
Für meine Freundin war es sonnenklar: wir lebten in der Endzeit, spätestens seit Gründung des Staates Israel.
Für meine Freundin war es sonnenklar: wir lebten in der Endzeit, spätestens seit Gründung des Staates Israel. In der geistlichen Welt tobte immerzu ein Kampf zwischen Gott mit seinen Engeln und Satan mit seinen Dämonen. Irgendwann würden alle Christen entrückt werden, der Antichist würde erscheinen mit dieser geheimnisvollen Zahl 666, und alle schlimmen Prophezeiungen aus der Offenbarung des Johannes würden Wirklichkeit werden, bis zum Ende Jesus erneut als Messias für alle erscheinen würde und einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen würde. Alle Jesus-Anhänger würden die Ewigkeit mit Gott „im Himmel“ verbringen, alle anderen wären verloren und müssten auf ewig in der Hölle sein.
Das fand ich sehr erschreckend (obwohl ich den ersten Roman von Frank Peretti über die Endzeit damals verschlungen habe), und was für mich nicht in dieses Bild passte, war Jesu Gerichtsrede aus Matthäus 25, wo nicht vom Glauben an Jesus als Unterscheidungsmerkmal die Rede war, sondern nur davon, wer sich in Liebe seinem Nächsten zugewandt hätte. Aber da meine Freundin länger Christ war als ich, hatte ich keinen Grund, ihre Worte ernsthaft anzuzweifeln. Dennoch blieben in mir Fragen und ein ungutes Gefühl zurück.
Die Erklärungen, die meine Relilehrerin fand, um Begriffe wie Himmel und Hölle mit Leben zu füllen, fielen dagegen bei mir auf fruchtbaren Boden, erschienen mir plausibler, und letzten Endes zehre ich immer noch davon.
Die Erklärungen, die meine Relilehrerin fand, um Begriffe wie Himmel und Hölle mit Leben zu füllen, fielen dagegen bei mir auf fruchtbaren Boden, erschienen mir plausibler, und letzten Endes zehre ich immer noch davon. Für sie bedeutete „Hölle“ einfach „Getrenntsein von Gott“. Kein Ort und keine böse Strafe eines zornigen Gottes, der dort alle hinschaffen ließ, die ihm nicht gehorchten, sondern ein Zustand, der dem freien Willen jedes einzelnen Menschen entsprach. Unsere Lehrerin ließ es offen, ob es Menschen geben würde, die sich im Lauf ihres Lebens so gegen die Liebe Gottes verhärtet hätten, dass sie bis in alle Ewigkeit bei ihrer Entscheidung gegen Gott bleiben würden – aber ich merkte es ihr an, dass sie hoffte, dass es niemanden geben würde. Und in diesen Bildern spielte es dann letzten Endes auch keine Rolle, ob ein Mensch als Christ oder als Moslem oder auch als Nichtgläubiger gelebt hatte, wenn er sich in seinem Leben immer wieder nach der Liebe ausgestreckt hatte – natürlich ebenfalls ein Ding der Unmöglichkeit für meine Freundin, für die Jesus „der einzig wahre Weg“ in den Himmel war … aber ich war innerlich schon damals geneigt, diesen Teil des fundamentalistischen Glaubens für mich nicht ganz zu übernehmen.
...aber ich war innerlich schon damals geneigt, diesen Teil des fundamentalistischen Glaubens für mich nicht ganz zu übernehmen.
Da es sich um katholischen Religionsunterricht handelte, deutete meine Lehrerin natürlich auch den Begriff des Fegefeuers, und auch diese Erklärung gefiel mir: Wenn wir sterben und vor Gott stehen, der unendliche Liebe und gut und heilig ist, erkennen wir in dem Moment, wo wir überall an der Liebe gefehlt haben, und das tut weh … so wie es wehtut, wenn man aus einem dunklen Raum in gleißende Helle kommt. Aber weil Gott uns voller Liebe anblickt, sehen wir uns ganz und gar, wie er uns sieht, so dass der Schmerz der Freude und dem Erwidern seiner Liebe weichen kann.
Nachdem ich nun Jahrzehnte später immer wieder neu für mich schaue, welche Inhalte meines Glaubens für mich nach wie vor tragfähig erscheinen, bin ich gerade vor kurzem wieder auf das Ewigkeitsthema gekommen. Einen Anstoß dazu gab die Frage in einem Artikel (den ich leider nicht mehr finde), wie die Liebe Gottes mit dem Konzept einer ewigen Verdammnis zusammenpasse. In meiner Gemeinde würden die meisten antworten, dass Gott eben nicht nur „die Liebe“ sei, sondern auch „heilig“, und als solcher könne er niemanden tolerieren, der nicht genauso „heilig“ sei wie er. Daher könnten nur Menschen die Ewigkeit mit Gott verbringen, die zu Lebzeiten die bewusste Entscheidung getroffen hätten, sich durch den Tod Jesu am Kreuz von allen Sünden reinwaschen zu lassen, so dass sie nun in Gottes Augen genauso heilig wären wie er.
Einen Anstoß dazu gab die Frage in einem Artikel, wie die Liebe Gottes mit dem Konzept einer ewigen Verdammnis zusammenpasse.
Besagter Artikel stellte die Frage, wie – im Falle des Konzeptes ewiger Verdammnis - ein Vater, dessen Tochter sich nicht für Jesus entschieden hätte, der wegen seiner Liebe zu seiner Tochter alles tun würde, damit auch seine Tochter gerettet würde, in einer Ewigkeit OHNE seine Tochter glücklich sein könne, wenn er wüsste, dass seine Tochter auf ewig Qualen leiden müsste. Wie ein Paulus, der lieber selbst verloren gegangen wäre, als dass seine jüdischen Geschwister verloren gingen (was man ja als sehr jesusgemäß ansehen könnte, denn Jesus hat aus Liebe zu uns sein Leben gegeben), sich „im Himmel“ plötzlich völlig unjesusgemäß und egoistisch über seine Gemeinschaft mit Gott freuen könne, während andere Menschen Höllenqualen leiden müssten?
Diese Frage stellt sich mir auch! Zur Liebe Gottes gehört für mich untrennbar die Sehnsucht Gottes nach dem Menschen, die bedingungslose Annahme und der Wunsch, die Menschen ganz zur Liebe zu befreien. Und ich kann nicht anders, als zu hoffen und zu glauben, dass ein Gott, dem nichts unmöglich ist (was ich auch immer noch glaube … abgesehen von dem berühmten Paradox, ob es ihm möglich wäre, etwas zu erschaffen, das so schwer wäre, das er es nicht heben kann ), Wege hat, die ich mir jetzt noch nicht vorstellen kann, in seiner Liebe wirklich ALLE Menschen zu erreichen, die er liebt (und er liebt alle ohne Ausnahme), ohne dass er dabei ihren freien Willen vergewaltigt. Es wäre so eine Verschwendung, so viele Menschen nur für die ewige Verdammnis zu erschaffen, und welch unendlicher Schmerz für den liebenden Schöpfer! „Heiligkeit“ kann nicht bedeuten, dass Gottes liebendes Herz diesen Schmerz nicht mehr fühlt und er nicht alles versuchen würde, um in Liebe um jeden einzelnen zu werben. Und da ich glaube, dass er außerhalb und in aller Zeit ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass Gott irgendeine „Entscheidungsspanne“ auf unsere irdische Zeit begrenzt.
„Heiligkeit“ kann nicht bedeuten, dass Gottes liebendes Herz diesen Schmerz nicht mehr fühlt und er nicht alles versuchen würde, um in Liebe um jeden einzelnen zu werben
Ein Konzept von „Heiligkeit“, das Liebe einschränkt, ist für mich irrsinnig. Was sollte denn die Heiligkeit Gottes anderes sein als vollkommene Liebe?
In diesem Zusammenhang liebe ich die Verse aus dem ersten Korintherbrief im 13. Kapitel, nachdem Paulus erklärt hat, dass alles nichts ist ohne Liebe:
"Liebe ist geduldig, Liebe ist freundlich. Sie kennt keinen Neid, sie spielt sich nicht auf, sie ist nicht eingebildet.
Sie verhält sich nicht taktlos, sie sucht nicht den eigenen Vorteil, sie verliert nicht die Beherrschung, sie trägt keinem etwas nach.
Sie freut sich nicht, wenn Unrecht geschieht, aber wo die Wahrheit siegt, freut sie sich mit.
Alles erträgt sie, in jeder Lage glaubt sie, immer hofft sie, allem hält sie stand.
Die Liebe vergeht niemals. Prophetische Eingebungen werden aufhören; das Reden in Sprachen, die von Gott eingegeben sind, wird verstummen; die Gabe der Erkenntnis wird es einmal nicht mehr geben.
Denn was wir erkennen, ist immer nur ein Teil des Ganzen, und die prophetischen Eingebungen, die wir haben, enthüllen ebenfalls nur einen Teil des Ganzen.
Eines Tages aber wird das sichtbar werden, was vollkommen ist. Dann wird alles Unvollkommene ein Ende haben.
Als ich noch ein Kind war, redete ich, wie Kinder reden, dachte, wie Kinder denken, und urteilte, wie Kinder urteilen. Doch als Erwachsener habe ich abgelegt, was kindlich ist.
Jetzt sehen wir alles nur wie in einem Spiegel und wie in rätselhaften Bildern; dann aber werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen. Wenn ich jetzt etwas erkenne, erkenne ich immer nur einen Teil des Ganzen; dann aber werde ich alles so kennen, wie Gott mich jetzt schon kennt.
Was für immer bleibt, sind Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei. Aber am größten von ihnen ist die Liebe."
Über "Sanny"
Unsere Autorin, die unter dem Pseydonym "Sanny" schreibt, möchte aus Gründen, die ihr in ihrem Beitrag "Eine Momentaufnahme meines Weges" erfahren könnt, nicht namentlich genannt werden ;)