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vom 17.07.2017 - Autor: Matthew Distefano - übersetzt von Marco Neumann

Als ich aufwuchs wurde mir immer erzählt, die Bibel wäre das irrtumslose Wort Gottes. Damit war gemeint, dass sie ohne Fehler in allem wäre, wozu sie sich äußert (siehe auch „Die Chicagoer Erklärung zur biblischen Irrtumslosigkeit“). Ohne darauf einzugehen, welche Bücher überhaupt in einen „richtigen“ biblischen Kanon gehören – denn nicht einmal darin gibt es Übereinstimmung – wenn es in der Schrift irgendwo heißt „Gott sagte“ dann bedeutet das auch „Gott sagte“. Und wenn es irgendwo heißt „Gott tat“ dann bedeutet das auch „Gott tat“. Also wenn, wie beispielsweise in 4. Mose 25, der Schreiber meint, dass Gott zu Mose sagte, „Schnapp Dir all die Sippenoberhäupter und pfähle sie in der Sonne“ dann bedeutet das, die Unterhaltung hat genau so stattgefunden wie es geschrieben steht. Gott hat buchstäblich an einem Punkt der Geschichte Mord befohlen um seinen Ärger zu befriedigen. Und dann, als Pinhas Gottes Befehl ausgeführt hat, schließt Gott einen Friedensbund mit ihm.

Lass das mal für einen Moment wirken.

Und das ist nur eine von vielen ähnlichen Geschichten die sich in den Schriften finden – wo Gott anderen befiehlt in seinem Namen Blut zu vergießen. Und theoretisch ist es wohl möglich, dass Gott so ist. Es ist möglich, dass all die Geschichten in der Bibel, in denen Gott als als blutdurstige Gottheit dargestellt wird, wahr sind. Aber: Was machen wir dann mit dem Pazifisten namens Jesus aus dem 1. Jahrhundert, der sein Leben im Dienst für andere lebte und nicht einen einzigen gewalttätigen Akt vollzog? Ist sein Evangelium nicht ein Evangelium des Friedens (Eph.6,15)? Und ist er nicht so wie Gott als Mensch wäre? Und hat nicht Paulus – angenommen er schrieb den Kolosserbrief – ihn als jemand beschrieben, in dem die „ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ in körperlicher Form wohnt (Kol2,9)? Und sagte Jesus selbst nicht, dass niemand den Vater gesehen hätte außer ihm (Joh.1,18)?

Also was machen wir damit?

Nun wir könnten tun was die meisten Christen im Westen tun, und uns eine Art Zwitter-Gott ausdenken. Wir könnten sagen, dass Jesus die eine Seite Gottes offenbart (z.B. seine gnädige Seite), aber daran scheitert seine zornige Seite zu offenbaren. Oder wir könnten sagen, dass in einer Epoche der Geschichte (der Zeit des Alten Testaments), Gott rachsüchtig war und er dann in einer anderen Epoche (dem 1. Jahrhundert) barmherzig ist – und dann laut dem Buch der Offenbarung, kommt er wieder rachsüchtig zurück.


Was machen wir dann mit dem Pazifisten namens Jesus aus dem 1. Jahrhundert, der sein Leben im Dienst für andere lebte und nicht einen einzigen gewalttätigen Akt vollzog? 


Aber Antworten wie diese treffen nicht ins Herz meiner obigen Fragen.

Noch mehr: sie tun uns gar nichts Gutes wenn wir von Gott als Vater denken wollen, oder gar als „Abba“, wie ihn Jesus mal zärtlich genannt hat. Und sie bringen uns nicht weiter, wenn wir von Gott denken sollen als „dergleiche gestern, heute und für immer“ - wie Christus vom Schreiber des Hebräerbriefes beschrieben wird (Heb13,8). Weil diese Antworten uns kein verdammtes bisschen Gutes tun, müssen wir unseren Ansatz überdenken. Wir müssen mit Jesus anfangen und uns dann sozusagen rückwärts vorarbeiten.

Lass uns mit Johannes 1 anfangen.

Der Schreiber beginnt mit „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort“ (Joh.1,1). Und, um das Offensichtliche zu bemerken: Das Wort meint hier nicht die Bibel. Es ist Christus. Es ist kein Buch. Es ist menschlich.

Johannes 1,1 ist auch eine Art Neufassung von 1. Mose 1,1, wo Gott „Am Anfang“ etwas schuf. Nun gab es am Anfang schon etwas – das Wort, Jesus Christus. Der Schreiber sagt uns, womit wir anfangen sollen: Nicht mit einer Autorität der Schrift oder einem hermeneutischen Ansatz oder einer Doktrin oder einem Dogma, sondern mit einer Person – einer gehenden, sprechenden und atmenden Person.


Nicht mit einer Autorität der Schrift oder einem hermeneutischen Ansatz oder einer Doktrin oder einem Dogma, sondern mit einer Person


Wenn wir dort starten, dann haben wir das richtige Fundament für unseren Ansatz hinsichtlich der Autorität der Schrift. Wir haben den Eckstein, wenn Du so willst (Matth. 21,42). Und dieser Eckstein hat eine sehr charakteristische Art Dinge zu interpretieren. Lass mich das an ein paar Stellen zeigen, damit Du weißt, was ich meine.

Zunächst erzählt Lukas 4 eine interessante Geschichte über Jesu erste Predigt nach seiner Prüfung in der Wildnis. Nachdem Jesus die Synagoge betrat, kam für ihn die Zeit vorzulesen und man gab ihm die Rolle des Propheten Jesaja. Er rollte sie an der Stelle auf, die wir jetzt Jesaja 61,1-2 nennen und las:  „Der Geist des Herrn, HERRN, ist auf mir; denn der HERR hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, den Elenden frohe Botschaft zu bringen, zu verbinden, die gebrochenen Herzens sind, Freilassung auszurufen den Gefangenen und Öffnung des Kerkers den Gebundenen, auszurufen das Gnadenjahr des HERRN“. Dort stoppte er – mitten im Satz – und rollte die Schrift zusammen. Was er noch hätte lesen sollen, wäre der Teilsatz „und den Tag der Rache für unsern Gott.“. Aber das tut er nicht. Und das wurde von den ursprünglich eifrigen Zuhörern nicht freundlich aufgenommen. Genau genommen führte seine interpretative Methode dazu, dass er fast von einer Klippe gestoßen wurde, denn wenn Gottes Rache ausgelassen wird, bekämen die Feinde Israels nicht, was ihnen angedroht wurde.

Und die Rache Gottes muss natürlich die ereilen, die Gottes Volk unterdrücken. Das war ein theologischer Fakt.

Aber nicht laut Jesus.

Eine andere theologische Gegebenheit – gegründet auf klare schriftgemäße Wahrheiten – war folgende: Wenn jemand von Krankheit befallen ist, erleidet er das aufgrund seiner Sünde. Ein Denken wie dieses kommt von Stellen wie 5. Mose 28,15; 20-24; 59-61. Aber Jesus lehrt in Johannes 9,3 dass die Dinge so nicht funktionieren. Jesus – anstatt Blindheit mit Sünde in Verbindung zu bringen – sagt, dass Blindheit ein Teil des Lebens ist, an dem Gott sein Wesen zeigt – das Wesen eines Heilers, Versöhners und Friedensstifters. Letzten Endes lässt Gott es regnen auf die Gerechten wie die Ungerechten und segnet Sünder und Heilige gleichermaßen (Matth 5,45). Er hat nicht – wie die Sprüche klar sagen – Flüche für das Haus der Ungerechten und Segen für das Haus der Gerechten (Spr. 3,33).

Jedenfalls nicht laut Jesus.

Er war nicht an irgendeine vorausgesetzte Autorität der Schrift gebunden, ganz egal was seine Gesprächspartner dachten und sagten. Sicher, die Schriften lehrten bestimmte Dinge über Gott als wären es objektive Wahrheiten, aber Jesus hielt ihnen seine eigenen Lehren entgegen. Die Bergpredigt ist berüchtigt dafür.

„Ihr habt gehört dass gesagt ist… ich aber sage euch...“

Immer und immer wieder tut er das: Alte Lehren durch Neue, Fortschrittliche ersetzen. Und er kann das tun, denn er spricht im Auftrag des Vaters. Genaugenommen spricht und tut er nur, was er den Vater tun sieht (Joh. 5,19). Und was er den Vater tun sieht, ist, allen Menschen Barmherzigkeit zu zeigen (Lk.6,36).

Deshalb geht Jesus bis zum Kreuz während er die Botschaft von Frieden und Barmherzigkeit verkündet (Lk.23,34). Sein Vater tut das Gleiche. In Wirklichkeit hat sein Vater das schon immer getan, denn sein Vater ändert sich nicht. Das ist die theologische Neuorientierung, die Christus uns gegeben hat. Und das ist auch der Grund, warum ich nicht für eine verdammte Sekunde glauben kann, dass alles was über den Vater gesagt wird, in dem Buch was wir Bibel nennen, wahr ist. Oder, wenn wir den Propheten Jeremia zitieren „die Schreiber haben lauter Lüge daraus gemacht“ (Jer.8,8).


Und das ist auch der Grund, warum ich nicht für eine verdammte Sekunde glauben kann, dass alles was über den Vater gesagt wird, in dem Buch was wir Bibel nennen, wahr ist.


Wenn wir also sagen, Christen sind Nachfolger von Jesus, dann müssen wir seinen Lehren folgen. Wenn wir das tun, werden wir merken, dass er einen ganz besonderen und einzigartigen Ansatz verfolgte. Und der war weit entfernt von „Gott hat es gesagt, ich glaube es, und deshalb ist es so.“ Entschuldigt, aber so einfach ist das nicht Leute. Es braucht in Wirklichkeit sorgfältige Arbeit um „das Wort der Wahrheit recht zu vertreten“ (2.Tim2,15).

Frieden.

Originaler Artikel von Matthew Distefano

aus dem Englischen übersetzt von Marco Neumann

Artikel im Original lesen

 


Über Matthew Distefano

Matthew Distefano ist der Autor von „All Set Free: How God is Revealed in Jesus and Why That is Really Good News“ und von "A Journey with two Mystics" sowie von "From the Blood of Abel: Humanity's Root Causes of Violence and the Bible's Theological-Anthropological Solution". Er schreibt außerdem regelmäßig für The Raven Foundation und kürzlich für Sojo.net. Du kannst ihn auf seiner Website, bei Facebook und Twitter finden.

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