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vom 03.07.2017 - Autor: Matthew Distefano - übersetzt von Marco Neummann

Ich habe eine Hass/Liebe Beziehung mit der Bibel. Ich meine, ich liebe dieses Buch. Wirklich. Ich finde es faszinierend. Aber gleichzeitig habe ich eine lange und schmerzhafte Geschichte von Kämpfen – und meistens verlorenen – mit und gegen viele der biblischen Texte. Sicher, die meisten dieser schwierigen Passagen stehen im Alten Testament, aber das zu erwähnen hilft nie so wirklich wenn ich an einen Gott glauben soll, der ewig ist und der gleiche gestern und heute und für immer (Hebr. 13,8)

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Damit noch nicht genug: In dem pre-millenialistischen Dispensationalismus in dem aufgewachsen bin und gelehrt wurde die Offenbarung so zu „lesen wie es da steht“, wird dieser hinterlistige Monster-Gott, der Blut verlangt um Sünden zu vergeben, einmal wiederkommen – und zwar auf einem Rachefeldzug. Mag sein, dass Jesus seinen netten alten Papa für eine Zeit ruhig gestellt hat, aber durch steigende Kosten im Gesundheitssektor wird das Beruhigungsmittel nicht länger übernommen – und er kommt stinkesauer wieder. Mein einziger Hoffnungsschimmer – solange ich an diese Art Theologie geglaubt habe – war immer, dass wir zufällig das Glück hatten, noch vor diesem Ereignis zu leben, so dass Gott vielleicht gerade noch dem Jesus der ersten Jahrunderts ähnelte. Vielleicht.

Wenn Du mein Buch oder meine Beiträge gelesen hast, dann weißt Du, dass ich diese Lüge über unseren Papa nicht länger glaube. Statt dessen denke ich, dass „Gott ist wie Jesus“ und „Theologie beginnt am Kreuz“. In meinem kommenden Buch „From the blood of Abel“ werde ich ausführlicher davon schreiben, wie ich dazu kam, an solch einen Gott zu glauben. Aber für heute sollst Du nur wissen, dass ich dahin gekommen bin … irgendwie.

In Wirklichkeit war der schwierigste Teil um dort hinzukommen die Bibel. Allerdings nur bis ich jemanden namens Michael Hardin die Frage stellen hörte: „Wie las Jesus seine ‚Bibel‘?“ (Dieser jemand ist mittlerweile mein Freund.) Wow! Was für eine großartige Frage! Im Rückblick frage ich mich: Wie konnte ich und jeder andere Christ der mir begegnet ist eigentlich daran vorbeilaufen? Sie ist wunderschön und gleichzeitig sooo einfach.

Also, wie las Jesus die „Bibel“? Nun, er pickte sich die Rosinen heraus. Keuch! Aber das ist okay, denn genauso hat es Paulus gemacht. Doppel-Keuch! Aber das ist auch okay, denn darin zeigt sich ein Muster, dass ich Dir zeigen möchte.

Rosine #1: Lukas 4,18-19

Schließ Deine Augen. Stell Dir vor, Du bist ein Jude in der Zeit des zweiten Tempels und lebst in einer Provinz unter römischer Vorherrschaft. Du bist in Deiner Synagoge und herein kommt ein Mann namens Jesus (hoffentlich gewaschen nach einem 40 Tage Marsch in der Wildnis). Er fängt an aus der Rolle des Propheten Jesaja zu lesen. Und das ist eine Deiner Lieblingsstellen, Jesaja 61,1-2.

Während Jesus liest sprichst Du die Worte innerlich mit. Warum auch nicht, oder? Diese Stelle hast Du in Deinem Herzen und kennst jedes Wort auswendig. Er liest: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen; er hat mich gesandt, Gefangenen Freiheit auszurufen und Blinden, dass sie wieder sehen, Zerschlagene in Freiheit hinzusenden, auszurufen ein angenehmes Jahr des Herrn und den Tag der Rache für unsern Gott“. Oh Stop! Das hat er gar nicht gesagt. Erlaube mir zu korrigieren: „und den Tag der Rache für unsern Gott“. Er lässt diesen Teil einfach aus, rollt das Ding wieder auf und sagt: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt.

„Was?! Kein Tag der Rache? Dann also keine Erlösung von dem allmächtigen Rom“ denkst Du. „Wer glaubt dieser Typ eigentlich wer er ist?“ Nachdem diesem Jesus jeder „Zeugnis gibt“ macht er noch weiter – dieser unverschämte Typ! Er fängt an über Propheten zu reden, die in ihrer Heimatstadt nicht willkommen sind und darüber, wie zwei von Israels Besten, Elia und Elisa, die einen Sidonier und einen Syrer geheilt haben (das waren die Bösen) während sie in Israel (bei den Guten) niemandem halfen. Jetzt bist nicht nur Du fuchsteufelswild sondern auch alle anderen. Da gibt es nur noch eins, was Du tun kannst: Schmeiss diesen Typen von der Klippe! Aber er entkommt gerade noch. Fast hättest Du ihn gehabt!

Rosine #2: Lukas 7,18-23

Schließe erneut Deine Augen. Stell Dir vor Du wärst Johannes der Täufer. Herodes hat Dich in eine miese Gefängniszelle gesperrt, deshalb kannst Du nicht hingehen und Jesus all die brennenden Fragen stellen, die Dich beschäftigen. Stattdessen sendest Du ein paar Deiner Jünger. Du musst einfach wissen, ob Jesus der Messias ist, der Retter des Volkes. Er ist nicht gerade das, was Du erwartet hast – Du hängst immer noch in dem Denken fest, dass Gott ein Gott des Zorns und der Rache ist (Lukas 3,7). Und Jesus, nun… er ist nicht wirklich so etwas.

Als Deine Jünger Jesus finden, nähern sie sich ihm und fragen: „Bist Du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Diese Frage scheint einfach genug. Aber, wie Jesus so ist, antwortet er geheimnisvoll… indem er die Schrift zitiert… aber selektiv. Er zitiert Jesaja 29,18-19 aber nicht Vers 20, zitiert Jesaja 35,5-6 aber nicht Vers 4 und Jesaja 61,1-2 aber nicht den letzten Teil von Vers 2. Ist das vielleicht ein Hinweis? Nun, ich denke Jesus ist nicht so gedankenlos – deshalb glaube ich, es ist ein Hinweis. Der Meister sagt, wir sollen diesen rachelüsternen Kram rausschmeißen! Und wenn Du das tust und trotzdem akzeptieren kannst, dass Jesus der ist, der er behauptet zu sein, dann gesegnet der, der sich nicht an ihm ärgert (Lukas 7,23).

Rosine #3: Galater 3,13

Stell Dir nun vor, Du bist in Deiner Heimat-Gemeinde in Galatien. Du hast gerade einen Brief von Paulus erhalten und er ist stinkesauer! Und Du machst ihm daraus keinen Vorwurf. Du verstehst das Evangelium, aber es macht den Eindruck, dass viele aus Deiner Gemeinde von einem falschen Evangelium verführt wurden – einem das den Schwerpunkt auf die Interpretation des Gesetzes legt und auf Heiligkeits-Regeln, statt auf den auferstandenen Christus. „Das hab ich doch alles hinter mir gelassen...“ denkst Du. Als der Brief vorgelesen wird, bist Du im Stillen sehr gespannt – und ein bisschen besorgt – wohin das wohl führen wird.

Während der Brief gelesen wird (über dessen Inhalt Du Dich übrigens freust – allerdings nicht jeder im Raum, wie es aussieht), schnappst Du etwas auf, das Paulus sagt. Es ist genial. Nach seiner scharfen Kritik an der Gesetzes-treuen Haltung einiger falscher Brüder, schreibt Paulus: „Verflucht ist jeder, der am Holz hängt!“. Du kannst ein kleines Kichern nicht unterdrücken, denn soweit Du weißt, sagt 5.Mose 21,23, dass jeder, der an einem Holz aufgehängt wird von Gott verflucht ist. Aber nicht nach Paulus. Kein Stück! Und Du bist der gleichen Meinung, weil Du weißt, dass der eigentliche Fluch das Gesetz ist. Und das wäre exakt das, worunter Du und Deine Geschwister stehen würden, sollte sich dieser Krebs in den Gemeinden Galatiens weiter ausbreiten.

Der Brief wird weiter gelesen und Du hörst voller Erwartung zu, erfrischt von den Guten Nachrichten aus Paulus‘ Evangelium. Und Du fragst Dich welches Evangelium – Paulus‘ oder das falsche – wohl in Deiner Gemeinde Fuß fassen wird. Die Zeit wird es zeigen…

Das sind nur drei Beispiele aus dem Neuen Testament. Es gibt noch andere, wie z.B. Matthäus 5,39, Markus 12,35-40 und Römer 15,8-9. Und natürlich könnte noch viel mehr über Hermeneutik und Exegese und Autorität der Schrift und all das gesagt werden. Mein Ziel ist jedoch, einfach ein besonderes Muster in der Auslegung durch Jesus und Paulus aufzuzeigen. Die anstrengenden Details überlasse ich den Gelehrten.

Weiterführende Lektüre

Falls Du an Themen wie der Hermeneutik interessiert bist, empfehle ich Dir „The Jesus Driven Life“ von Michael Hardin. Denen, die an weiterführender Literatur zu Paulus interessiert sind, sei noch „Galatians“ von J. Loius Martyn und „The Deliverance of God“ von Douglas Campbell ans Herz gelegt. Allerdings muss ich zugeben, beide sind wirklich lang und inhaltsreich (600 und 1200 Seiten).

Originaler Artikel von Matthew Distefano

aus dem Englischen übersetzt von Marco Neumann

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Über Matthew Distefano

Matthew Distefano ist der Autor von „All Set Free: How God is Revealed in Jesus and Why That is Really Good News“ und von "A Journey with two Mystics" sowie von "From the Blood of Abel: Humanity's Root Causes of Violence and the Bible's Theological-Anthropological Solution". Er schreibt außerdem regelmäßig für The Raven Foundation und kürzlich für Sojo.net. Du kannst ihn auf seiner Website, bei Facebook und Twitter finden.

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